Der unbeugsame Papagei by Andrej Kurkow

Der unbeugsame Papagei by Andrej Kurkow

Autor:Andrej Kurkow [Kurkow, Andrej]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2013-07-02T22:00:00+00:00


Kapitel 15

Seit einer Woche bereits schneite es im Neuen Gelobten Land, Schnee rieselte ununterbrochen in gewaltigen Flocken vom Himmel und deckte alles zu; und wäre selbst einer auf die Dächer der von Menschen bewohnten Kuhställe geklettert, dann wäre er auch dort bis an die Knie im Schnee versunken. Die Menschen saßen an den Öfen, wärmten sich und warteten einfach das Ende des Winters ab, der eben erst begonnen hatte. Alles war für diesen Winter bereit, für das Vieh gab es Futter, für die Menschen Essen und Brennholz. Und deshalb herrschte zufriedene Ruhe im Neuen Gelobten Land.

Die Frauen saßen auf ihren Schlafbänken und legten die Säuglinge an die Brust. Manche der Männer spielten das Steinchenspiel mit Kopfnuss, andere spielten Karten, die dritten tranken in aller Stille ihren Selbstgebrannten und kauten Brot und Fleisch dazu, das sie sich vom Frühstückstisch abgezweigt hatten.

Die Kinder, jene, die schon größer waren, schauten aus den Fenstern, die man im späten Herbst in die Wände des Kuhstalls geschnitten hatte. Das Glas, das sie im Austausch gegen Rauchfleisch aus der nahen Kolchose geholt hatten, war recht trüb, aber die Jungen und Mädchen schauten trotzdem gern dort hindurch nach draußen.

Im Hauptkuhstall hatten sich in der Nähe des Ausgangs der Brigadier und zwei weitere Männer eingerichtet. Aus lauter Langeweile und auch um etwas Gutes zu tun, fertigten sie Rodelschlitten an, klopften mit Hämmern und quietschten mit Hobeln an einer langen, grob zusammengezimmerten Werkbank.

Eine Frau, die in ein dickes wollenes Kopftuch gehüllt war, schaute in den Kuhstall herein und rief: „Glascha! Bist du hier?“

„Mach die Tür zu!“, brüllte der Brigadier sie an, der den Kopf von der Werkbank gehoben hatte. „Entweder kommst du rein, oder raus!“

Die Frau trat erschrocken ein und schlug die Tür hinter sich zu.

„Glascha!“, rief sie wieder.

„Was gibt’s?“, antwortete eine Frauenstimme.

„Komm in die Küche, Stepanida ist krank geworden!“

„Ich komme“, sagte Glascha ruhig.

Wieder wurde es still, nur manchmal tönte das Tischlerwerkzeug.

„Es hat aufgehört zu schneien!“, rief ein paar Stunden später Fedja, der älteste der Siedlerjungen, er war schon dreizehn Jahre. „Los, wir fahren Schlitten!“

Und die Kinderhorde strömte aus dem Kuhstall und zog alle Rodelschlitten hinter sich her, die an der Wand neben der Tür gestanden hatten. Die Tür ließen sie offen stehen, der Brigadier fluchte und schloss sie persönlich, worauf er auch noch den Riegel vorschob, damit sie nicht einfach in den Kuhstall zurück konnten.

Die Rodelschlitten sausten nur so den Hügel hinunter.

Und welche Schönheit erblickte man ringsumher. Die Felder – ein endloses weißes Tuch, auf der anderen Seite des Hügels – die blaue Schlange des gefrorenen Flusses und der weiß-grüne Wald, der da majestätisch und reglos stand.

Froh und frei tobten die Kinder. Schon taute wohl bei allen der Schnee im Kragen, aber sie lachten und schrien. Plötzlich wurde der kleine Stepka ernst, streckte einen Arm nach den Feldern aus und sagte: „Schaut mal, was ist da?“

Da sahen die Kinder aufmerksam hin und erblickten einen schwarzen Punkt, der sich unendlich langsam auf das Neue Gelobte Land zubewegte.

„Ein Bär?“, vermutete einer.

„Ich sag es schnell meinem Vater!“, rief Fedja und rannte über den Schnee zum Hauptkuhstall.



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